Fensterfront

Jedermann denkt freilich sofort an die Fassade des Bauhausgebäudes in Dessau. Bei den Stichworten Fensterfront und Dessau. Die ist natürlich auch ganz schick, schenkte lustigen Bauhäuslern auch viel Licht für Vorkursarbeiten, Gesellenarbeiten, Meisterarbeiten. Die Arbeiten nahmen lustige Bauhäusler auch mit in ihre Ateliers. Am Abend oder auch am Wochenende.

Zwölf lustige Bauhäusler hatten ja auch das Glück, einen kurzen Weg in ihr Atelier zu haben. Sie wohnten im Ateliergebäude. Ihre Ateliers hatten auch eine Fensterfront. Haben freilich noch immer eine Fensterfront, obgleich leider die Fensterrahmen nicht mehr die Originale sind. Sie sind vielmehr nur fünfunddreißig Jahre alt, ausgetauscht zum fünfzigjährigen Bauhausjubiläum. Ein fünfundachtzigjähriger Fensterrahmen hängt in der Brauerei Dessau. Die auch das Archiv der Stiftung Bauhaus Dessau beherbergt. In dem hat ein schöner Fensterrahmen leider keinen Platz mehr. Auch nicht als Fensterrahmen. Weiterlesen

Kalbsgeschnetzeltes

Wenn jemand eine Reise tut, wird er freilich permanent an die Heimat erinnert. Erinnert ihn der Versicherungskonzern, freilich auch. Auch das gute Essen. Das Zürcher Kalbsgeschnetzelte. Das natürlich am besten in Zürich schmeckt. In der Zürcher Kronenhalle. Lustige Zürcher dürfen aber auch gern widersprechen. Wiener indes eher nicht, Koblenzer auch nicht. Starkoch Alfons Schuhbeck auch nicht, Unilever freilich auch nicht. Die wissen ja nicht einmal, wie Zürcher Kalbsgeschnetzeltes geschrieben wird. Wie Zürcher Kalbsgeschnetzeltes gekocht wird vermutlich auch nicht. Habe weder das Wiener, Koblenzer, Alfons Schuhbecks, Unilevers Zürcher Kalbsgeschnetzeltes probiert. Hatte große Angst vor dem i. Das Zürcher Kalbsgeschnetzeltes verdirbt. Heißt ja auch nicht Wienier, Koblenzier, Alfons Schuhbecki, Unileveri. Hochdeutsche würden womöglich unterstellen, das sei Schweizerdeutsch. Stimmt freilich gar nicht. Genau wie freilich nicht Schweizerdeutsch ist, Hochdeutsch freilich auch nicht. Freilich aber schade, ist freilich doch so ein schönes Wort. Zürcher Kalbsgeschnetzeltes freilich auch eine leckere Speise. Indes nicht mit i.
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Masseneinwanderung

Jeden zweiten Dienstagmorgen ist Altpapiersammlung im Zürcher Dorf. Altpapier wird nur in Bündeln mitgenommen, weshalb vermutlich Seilfabrikanten in Zürich ein gutes Geschäft machen. Zürcher bevorzugen auch Schweizer Seilfabrikate. Schweizer Seilfabrikanten sind allerdings auch Weltmarktführer. Dorfbewohner können auch die Altpapierbündel mit weltmarktführenden Seilen aus Fenstern mit schönen grünen Fensterläden in die Gassen herablassen. Für die Altpapiersammlung. Wenn sie sich zum Beispiel über die Widersprüche ärgern. Oder auch wundern. Wie den auf dem Informationsblatt des Komitees gegen Masseneinwanderung. Das ist im Web unter http://www.stopp-masseneinwanderung.ch zu finden. Oder via E-Mail zu erreichen unter info@masseneinwanderung.ch. Bittet via E-Mail quasi dringend um Masseneinwanderung, möchte im Web die Masseneinwanderung offenbar aber unbedingt stoppen. Oder auch nicht: Denn wer sich die Mühe macht, http://www.stopp-masseneinwanderung.ch einzutippen, wird umgehend auf http://www.masseneinwanderung.ch weitergeleitet.

Immerhin ist der übrige Text des Informationsblatts stimmig. Anhand von Zahlen des fleißigen Bundesamts für Statistik wird aufgezeigt, welche Einflüsse die Einwanderung auf das Leben in der Schweiz hat. Dafür haben die Autoren aus dem quasi unerschöpflichen Fundus des Bundesamts freilich Zahlen herausgesucht, die zu ihrer Argumentation passen. Die Zahlen, die nicht so gut passen, Weiterlesen

Meisterhäuser (1)

Laut Plan stehen in Dessau acht Meisterhäuser. Streng genommen stehen nur fünf, denn von zwei stehen nur noch die Grundmauern, von einem stehen nicht mal mehr die. Das einzige Dessauer Haus eines Meisters rissen Bauarbeiter des früheren Arbeiter- und Bauernstaates ab, das Haus des Bauhaus-Gründers und das Haus des Bauhaus-Malers bombardierten britische Bombenschützen.
Trinkhalle von Ludwig Mies van der Rohe (Foto: Sammlung Erfurth)
Nun bauen Nachfahren der Bauarbeiter des Arbeiter- und Bauernstaates, der britischen Bombenschützen womöglich auch, die drei Häuser wieder auf. So der Plan. Dass indes Planwirtschaft nicht funktioniert, demonstrierte der Arbeiter- und Bauernstaat. Der hatte dann auch keinen Plan, als er Ludwig Mies van der Rohes einzigen Bau in Dessau neunzehnhundertsiebzig abriss. Abriss bis auf das Fundament, ein wenig spektakuläres, zugegeben. Eine Trinkhalle benötigt allerdings auch kein spektakuläres Fundament. Sie soll hauptsächlich den Durst löschen helfen. Ludwig Mies van der Rohes Durst auch, nach Martini auch. Womöglich auch nach Rum. Großen.
Fundament der Trinkhalle von Ludwig Mies van der Rohe
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Mensa-Tisch

Auch in Zürich sind Touristen von Zeit zu Zeit lästig. In Dessau freilich auch. Ist aber kein Grund, Touristen großen Quatsch zu erzählen. Wie die Touristenführerin in der Mensa des Bauhauses Dessau: „Was fällt Ihnen an den Tischen auf – abgesehen davon, dass sie aussehen wie Tische eines schwedischen Möbelfabrikanten, der andauernd beim Bauhaus abkupfert?“ Nach einminütigem Schweigen zeigt ein Tourist auf und stößt hervor: „Sie sind sehr hoch.“ Die Touristenführerin doziert: „Richtig, die Tische sind höher als normale Esstische. In Spitzenzeiten mussten in der Mensa über einhundert Menschen verköstigt werden. Das musste schnell gehen. Walter Gropius stattete die Mensa deshalb mit höheren Tischen aus. So verkürzte er den Weg vom Teller zum Mund – die Studierenden konnten schneller essen.“
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Prellerhaus (1)

Innerhalb von zwanzig Stunden zwanzig Jahre jünger werden. Das könnte ein Versprechen der Vermieter der Ateliers im Prellerhaus sein. Nach dem Auszug sofort wieder zwanzig Jahre altern freilich aber auch. Aber freilich auch die Garantie, auch am heißesten Tag zu frösteln, in der wärmsten Nacht zu frieren, jeden Schritt zu hören, keine Schlüsselumdrehung zu verpassen, das Duschen des Ateliernachbarn freilich auch nicht, seinen Toilettengang auch nicht. Das liest sich nicht gerade wie das großartigste Hotelzimmer der Welt, eher wie Gefängnis.

In Berlin steht ein Gefängnis. Auch, natürlich, erinnere jedoch just eines recht genau. Den übergroßen Flachbildfernseher auf dem viel zu kleinen Schreibtisch. Weiß natürlich, der Fernseher. Die Wände beige, die Möbel mit Buchenlaminat, Sessel auch mit grünen Polstern, blauer Teppich, Gardine mit buntem Blumenmuster. Spiegel an nahezu jeder Wand – lassen den Raum normalerweise größer wirken – bewirken hier einen Farbensturm, der auf den Gast – Insassen womöglich – eindrängt. Der reagiert mit einem Fluchtreflex, auch üblich in Gefängnissen, Hotelzimmern natürlich auch. Flieht weit weg, wenn ihm möglich anderthalb Stunden Zugfahrt, so dass er Dessau erreicht. Quasi in Sicherheit vor gruseligen Gefängnissen, Hotelzimmern. Aber ja nur auch.

Erreicht in Dessau Bauten eines Menschen, der gesagt haben soll: „Meine Lieblingsfarbe ist bunt.“ Bunt sind seine Bauten auch, dort, wo es sinnvoll ist. Wo Walter Gropius einen Absatz, Decke, Träger, Wand betonen wollte. Oder betonen musste, damit sich kein lustiger Meister, Student stößt. Damit kein lustiger Meister, Student die Tür verfehlt, sind alle Außentüren rot. Alle Innentüren glänzend weiß, erhellen dunkle Korridore. Im Prellerbau Weiterlesen

Reiseausweis

Der Auslandsdeutsche darf freilich im schönen Zürich nicht abstimmen. Wählen natürlich auch nicht. Wählen in Deutschland freilich auch nicht, wenn er sich nicht bei der deutschen Botschaft einen Briefwahlantrag stellt. Dann darf er auch nur den Bundestag und das Europaparlament wählen, an Kommunalwahlen und Landtagswahlen selbstverständlich aber nicht teilnehmen. Hat sich ja ordnungsgemäß beim regionalen Einwohnermeldeamt abgemeldet, dort natürlich nix mehr mitzubestimmen. Hat sich natürlich auch beim regionalen Einwohnermeldeamt im Ausland angemeldet, inklusive der obligatorischen Bestätigung für die deutsche Behörde, die ausländische Behörde freilich auch. Freilich gilt es keine direkten Gespräche zwischen den beiden Behörden. Wäre ja noch schöner, würden sich womöglich noch lustig machen über den Auslandsdeutschen. Würden schreiben: Juhu, ein Trottel weniger, dem wir Briefwahlunterlagen schicken, einen Personalausweis ausstellen müssen. Oder auch einen Reiseausweis.

Der Auslandsdeutsche verliert das Recht auf den Personalausweis. Übergangsweise zwar nur, aber bis Ende zweitausendzwölf kann er sich die Diskussion um den elektronischen Personalausweis im komfortablen Scheckkartenformat vom bequemen Sessel aus verfolgen. Dort hingefläzt, muss er sich mit dem sperrigen Reisepass begnügen, den freilich bei der Botschaft, dem Honorarkonsul beantragen. Die selbstverständlich vollkommen ahnungslos Weiterlesen

Spur (2)

In der Schule habe ich mich durch ein Buch gequält. Die Schachnovelle. Er hat alle Bücher hier stehen. Hörte ich die Unmutsbekundung. Aus einem anderen Mund auch eher lustlos: Einen Stefan-Zweig-Spaziergang gibt es nicht. Nur Rundgänge zu Ludwig van Beethoven, Gustav Klimt, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Peter Schubert. Oder auch zu den Schauplätzen des Films „Der dritte Mann“, den Orten des jüdischen Wiens, durch die unterirdischen Kryptas, die Kellerkneipen. Sehenswert, natürlich, chronologisch vermutlich auch.

Chronologisch auch der Stefan-Zweig-Spaziergang: beginnt bei der Wiener Filiale der mechanischen Weberei Moritz Zweig in der Eßlinggasse fünfzehn, quasi dem ersten Standbein der Familie Zweig in Wien. Eine Parallelstraße weiter südlich, in der Werdertorgasse, besuchte Stefan Zweig von achtzehnhundertsiebenundachtzig bis zweiundneunzig die Volksschule. Weder am einen noch am anderen Ort ein Hinweis auf den Sohn der Stadt, seinen Vater freilich auch nicht. Am Wasagymnasium aber. Kaiserlich und königliches Staats-Gymnasium steht über der Tür, daneben eine Gedenktafel: Weiterlesen

Bezirksmuseum Josefstadt

Wien hat einen berühmten Sohn. Gibt es ein Museum für Stefan Zweig? Freilich war die Frage geschenkt, wusste natürlich, dass es kein Museum gibt. Täuschte mich indes. Es gibt ein Stefan-Zweig-Archiv im Bezirksmuseum Josefstadt. Geöffnet Mittwoch von achtzehn bis zwanzig Uhr, Sonntag von zehn bis zwölf Uhr. Auch.

Sie wollen die Ausstellung über Großstadtkinder sehen, war die Begrüßung im Bezirksmuseum Josefstadt. Auch, die Antwort. Möchte bitte auch das Stefan-Zweig-Archiv sehen, die Präzisierung. Oh, da werden Sie enttäuscht sein, wurde mir beschieden. Wurde auch beschieden, dass ich kein Foto knipsen darf, vom Messingschild links auf Augenhöhe neben der Tür nicht, dem Raum hinter der Tür auch nicht. Sie öffnete sich aber für den Blick eines Auges. Das sah. Zum Glück gibt es Worte, die andere auch sehen lassen, was es sah.
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Zitat (37)

Da prasselte es verschwiegen im Ofen, die Röstkartoffeln dufteten knusprig, und es duftete das Bauernbrot und der goldfarbne Käse, ein halbierter massiger Rundlaib, und das Arvenholz der Wandtäfelung duftete, und der Wein , wirklich: er glutdurchwogte einen. (Lob und Dank dem Conrad Ferdinand Meyer für dies Verb.)

Rezitiert der Protagonist Gaudenz de Colana des großartigen Conrad Ferdinand Meyers „Die Veltlinertraube“. Erinnert nicht den ganzen Text. Glutdurchwogt aber, als die Veltinertraube ihn glutdurchwogt. Herrlich, das Wort, das Gefühl vermutlich ja auch. Nahm indes mit mulmigem Gefühl das Buch zur Hand. Ulrich Bechers hoch gelobte „Murmeljagd“. Empfohlen von belesenen Augen. Die hinter zwei Gläsern von Zeile zu Zeile hüpfen vor Lesefreude. Würden womöglich auch aus den Höhlen hüpfen vor Lesefreude, zum Glück sind Gläser davor. Weiterlesen

Wäscheklammernsack

Gibt Dinge, die findet man nur, wenn man sie nicht sucht. Einen Wäschklammernsack zum Beispiel. Der hing unverhofft im Kaufhaus der Genossenschaft. Fand dort Steckdosenadapter, die braucht man auch nicht suchen, die gibt’s dort immer. Massenweise Steckdosenadapter, für viele Zugezogene. Wer einen Steckdosenadapter benötigt, braucht womöglich auch einen Wäscheklammernsack, dachten sich vermutlich geschäftstüchtige Genossenschaftseinkäufer. Womöglich auch, Wäscheklammernsäcke benötigen freilich auch lustige Schweizer, die ja gar keinen Steckdosenadapter brauchen. Aber ja genug haben vom unpraktischen Kunststoffsack, der natürlich an keiner Leine hängenbleibt. Oder auch genug von der Wäscheklammernschürze, die natürlich unschön aufträgt. Oder aber auch genug vom Wäschekorb, in dem die Wäscheklammern natürlich immer unter der schön gewaschenen Wäsche liegen, sie hervor gewühlt werden müssen. Wie praktisch ist da ein Wäscheklammernsack, Weiterlesen

galoppierende Teutonisierung

Zürich verfilzt zusehends. Freilich tragen Zürcher keine verfilzten Kleider, die Straßen und Trottoirs werden auch nicht mit Filz ausgekleidet. Auch nicht mit deutschem Filz, obgleich der ja sogar günstig zu haben wäre. Bei der Genossenschaft, in der Großpackung. Die verkauft auch Steckdosenadapter. Freilich nicht in der Großpackung, so viele Ausländer leben dann auch nicht in Zürich. Aber ja zum günstigen Preis. Überall auch. Der Schweizer, Ruander auch, müsste in Konstanz zu einem Reisestecker greifen, wollte er seine Kaffeemaschine, überlebensnotwendigen Sandwichtoaster, an gruselige deutsche Steckdosen anschließen. Müsste freilich dafür tief in die Tasche greifen. Im Gegensatz zum deutschen Bewohner Zürichs.

Bewohner des schönen Zürcher Kreises eins freilich auch, im wunderschönen Rathausquartier ja auch. Dort ist jeder dritte Einwohner Nicht-Schweizer, jeder dritte Nicht-Schweizer Deutscher. Jeder zehnte Einwohner ist Deutscher, um die Verwirrung komplett zu machen. In der Stadt Zürich ist der Anteil der Deutschen kleiner, vermutlich jeder dreizehnte. Allerdings werden im schönen Kreis eins ja nun auch nicht so viele Wohnungen gebaut, im Rathausquartier freilich auch nicht. Seit über zehn Jahren schon nicht mehr, weder noch. Schade, freilich. So sind mit den lustigen Leerwohnungsziffern von null Komma null fünf, null Komma null neun netterweise im Rathausquartier natürlich die Chancen auf eine Wohnung im Kreis eins, Rathausquartier auch, eher gering. Die Leerwohnungsziffern sind dann natürlich auch nicht so richtig lustig, es sei denn, man wohnt im Kreis eins, oder auch im Rathausquartier. Weiterlesen