Innerhalb von zwanzig Stunden zwanzig Jahre jünger werden. Das könnte ein Versprechen der Vermieter der Ateliers im Prellerhaus sein. Nach dem Auszug sofort wieder zwanzig Jahre altern freilich aber auch. Aber freilich auch die Garantie, auch am heißesten Tag zu frösteln, in der wärmsten Nacht zu frieren, jeden Schritt zu hören, keine Schlüsselumdrehung zu verpassen, das Duschen des Ateliernachbarn freilich auch nicht, seinen Toilettengang auch nicht. Das liest sich nicht gerade wie das großartigste Hotelzimmer der Welt, eher wie Gefängnis.
In Berlin steht ein Gefängnis. Auch, natürlich, erinnere jedoch just eines recht genau. Den übergroßen Flachbildfernseher auf dem viel zu kleinen Schreibtisch. Weiß natürlich, der Fernseher. Die Wände beige, die Möbel mit Buchenlaminat, Sessel auch mit grünen Polstern, blauer Teppich, Gardine mit buntem Blumenmuster. Spiegel an nahezu jeder Wand – lassen den Raum normalerweise größer wirken – bewirken hier einen Farbensturm, der auf den Gast – Insassen womöglich – eindrängt. Der reagiert mit einem Fluchtreflex, auch üblich in Gefängnissen, Hotelzimmern natürlich auch. Flieht weit weg, wenn ihm möglich anderthalb Stunden Zugfahrt, so dass er Dessau erreicht. Quasi in Sicherheit vor gruseligen Gefängnissen, Hotelzimmern. Aber ja nur auch.
Erreicht in Dessau Bauten eines Menschen, der gesagt haben soll: „Meine Lieblingsfarbe ist bunt.“ Bunt sind seine Bauten auch, dort, wo es sinnvoll ist. Wo Walter Gropius einen Absatz, Decke, Träger, Wand betonen wollte. Oder betonen musste, damit sich kein lustiger Meister, Student stößt. Damit kein lustiger Meister, Student die Tür verfehlt, sind alle Außentüren rot. Alle Innentüren glänzend weiß, erhellen dunkle Korridore. Im Prellerbau Weiterlesen